Interview von Amre Ibrahim

Eigentlich entwickele ich soetwas wie Greuel wenn ich ein Interview führen soll. Vermeintlich intelligente Gesprächspartner erweisen sich als Besitzer von allzu trägen Geistesmühlen, andere wiederum sind so launisch, daß ein »normales Gespräch« kaum möglich ist, und oft genug stelle ich mir selbst ein Bein, mit albernen und künstlichen Fragen, die nicht einmal mich selbst interessieren. Nicht so an diesem sonnigen Nachmittag, als ich das Vergnügen haben sollte einen jungen Mann zu interviewen, dessen grimmiges »Photoäußeres« im krassen Gegensatz zu einem freundlichem und offenem Gemüt steht, und dessen Band im Moment für viel Aufmerksamkeit in der Metalszene sorgt. Guido Meyer de Voltaire von den AARDVARK.

Was zum Teufel noch mal heißt den AARDVARKS?

Erdferkel.

Erdferkel? Wie seid ihr denn darauf gekommen?

Nun, erstmal bin ich ein biologisch und zoologisch interessierter Mensch und hege gerade für dieses Tier einige Sympathie. Zudem hat ein Name, dessen erste beiden Buchstaben As sind, mit Sicherheit Vorteile was alphabetische Reihenfolgen auf beispielsweise Plakaten und Flyern anbetrifft.

Ihr spielt, soweit ich informiert bin, seit 1996 in Eurer jetzigen Besetzung. Stelle diese doch mal kurz vor.

Ich bin für Rhythmusgitarre & Vocals zuständig, mein Bruder Andreas spielt Leadgitarre, Sven Krautkrämer Bass und Nick Homfeldt Drums.

Wo liegen Eure musikalischen Wurzeln?

Unsere Musik ist wohl eine Mixtur der verschiedenen Metal-Ströme die Mitte der Achziger bis Anfang der Neunziger entstanden. Vornehmlich Einflüsse aus dem Thrash- und Heavy-Metal, aber auch Death- und Progressive-Metal tauchen in unseren Kompositionen auf. Bands wie SLAYER, CARCASS, alte METALLICA oder SEPULTURA haben uns inspiriert, aber auch sicherlich Elemente aus der KLASSIK.

Klassik! Eh ein interessantes Phänomen, warum meinst Du bedienen sich viele Bands aus dem Klassikfach? Die Klassik wird sehr oft als »intellektuelle« Musik gesehen und scheint trotzdem fruchtbare Ehen mit Metal einzugehen.

Für AARDVARKS birgt die klassische Musik ein interessantes Potential. Die hier eingesetzten Harmonien und Melodien sind oft sehr inspirierend. Wir sind eine technisch ambitionierte und perfektionistisch veranlagte Band, gleichzeitig aber melodiebetont in unserem Ausdruck. Die Klassik, denke ich, stellt einen ähnlichen Anspruch an sich selbst.

Wie groß ist die Gefahr, daß Ihr Euch in »Technik« verliert? Bei DREAM THEATER und vielen anderen Progressive-Metal Bands steht meiner Ansicht nach die Technik so sehr im Vordergrund, daß die Stücke teilweise etwas seelenlos wirken, wo hingegen Bands wie RUSH den Song an sich nie aus dem Auge verlieren.

Filigrane Techniker müssen keine guten Songwriter sein. Ich sehe die Gefahr als solche, schätze Sie aber bei AARDVARKS gering ein. Wir wenden sehr viel Zeit für das Arrangieren eines Songs auf. Dabei halten wir uns im Grunde an das klassische Strophe-Refrain-Schema, um dem Song, auf ein, zwei Main-Riffs basierend, etwas unverwechselbares zu verleihen. Ich mag Songs mit Wiedererkennungswert. Leider höre ich immer mehr Longplayer, die durch die Bank acht bis zehn gleichklingende Stücke aufweisen, die man nur auseinanderhalten kann, wenn man den Text verfolgt. Mein Bruder ist zwar der Einzige der mit orthodoxer Harmonielehre vertraut ist, aber auch ich achte bei der Entstehung eines Songs auf Stimmigkeit der Rhythmik des Gesangs und der Melodie. Wir haben zwar viele Geschwindigkeitswechsel und Bridges in unseren Stücken, kehren jedoch beim »Feilen« immer zum Song selbst zurück.

Wie sieht die Arbeitsaufteilung, bzw. die Entstehung eines Song bei AARDVARKS aus?

Die Songs erarbeiten wir gemeinsam, wobei mein Bruder und ich meist die Grundmelodien und Main-Riffs liefern. Für die Texte bin ich zuständig.

Wie steht die Band zu Deinen Texten? Setzt sie sich damit auseinander, oder scheiden sich gar einige Geister daran?

Sinn und Gehalt der Texte sind innerhalb der Band kein Problem. Ich beispielsweise bin überzeugter Atheist, bringe meine Ansichten jedoch nicht propagandistisch ein. Daher kommt es auch nicht zu Reibungspunkten mit »Andersdenkenden« innerhalb der Band. Ich achte beim Texten auf Rythmik, Klang und Wirkung der Worte genauso wie auf die Inhalte. Meine Vocals würde ich eher als Shouting bezeichnen. Obgleich ich auch vereinzelt singe paßt der aggressivere Stil besser zu AARDVARKS.

Gibt es einen Sänger der Dich maßgeblich beeinflußt hat?

Wenn überhaupt, dann Karl Willets der Ex-Shouter von BOLT THROWER. Insbesondere auf seiner letzten Platte »… for Victory« hat er Vocals eingesungen, wie sie brutaler und mächtiger nicht sein können. Dabei versteht man ihn im Vergleich zu vieler seiner Kollegen recht gut. Statt wie andere Death-Grunter die Stimme zu verstellen um möglichst tief zu grunzen, nutzt er das gesamte Lungenvolumen.

Als ich mir die AARDVARKS Demo-Collection angehört habe, war ich ziemlich erstaunt eine Coverversion von Motörheads »Ace of Spades« zu hören, wieso gerade dieser Song?

Motörhead haben, auch wenn sie selbst keine reine Metal-Band sind, tiefe Spuren in der Entwicklung dieser Spielart hinterlassen. Gerade »Ace of Spades« ist ein Stück Musikgeschichte. Wir waren, selbst in unseren Anfängen, nie eine Coverband und haben unsere ersten Auftritte ausschließlich mit Eigenkompositionen bestritten. Als wir anfingen hier und da ein Coverstück einzustreuen, wählten wir dafür immer Songs anderer Stile, denen wir unseren Charakter aufdrückten. Das machten wir zum Beispiel auch schon mit »Temple of Love« von den Sisters of Mercy oder mit »Too many Puppies« von Primus.

Was hälst du von Bryan Ferrys Zitat »Offenheit in der Musik ist Offenheit gegenüber dem Leben«?

Da ich nicht nur als Musiker aktiv bin, sondern auch als Tontechniker im STONEHENGE STUDIO zusammen mit meinem Freund und Partner Oliver Weiskopf Metal-Bands produziere, bin ich extrem kritisch geworden was das handwerkliche Können der Musiker angeht. Dabei spreche ich nicht unbedingt ausschließlich von Technik und Perfektion, sondern auch vom Charisma eines Songs, und dies ganz unabhängig von der Stilrichtung in der er sich bewegt. Es wird in meinen Augen zu wenig gute Musik gemacht, als das man es sich leisten könnte, sich auf eine Richtung zu beschränken. In vielen Lebenslagen außerhalb der Musik, auf die ich jetzt nicht näher eingehen möchte, verhält es sich sehr ähnlich. Insofern stimme ich Bryan zu.

Seid ihr leidenschaftliche Musiker?

Eine Musikrichtung wie unsere kann man nur einschlagen, wenn man so etwas wie Leidenschaft und Idealismus empfindet. Oft werden einem Steine in den Weg gelegt oder man hat mit stupiden Vorurteilen zu kämpfen, die einen als Satanisten oder Aggressor abstempeln. Tatsache ist, daß ich, seit ich Metal höre und spiele, viel ausgeglichener bin, da ich viele Aggressionen durch die Musik kompensieren kann. Also werden wir uns stilistisch auch weiterhin in etwa dort bewegen wo wir sind. Und bei aller Weiterentwicklung und Innovation käme eine Kehrtwende in der Art von beispielsweise Paradise Lost für uns nicht in Frage. Sollte es einmal wirklich soweit kommen würden wir uns wohl konsequenterweise umbenennen, um erwartungsvolle Käufer nicht so zu enttäuschen, wie wir in der letzten Zeit des öfteren enttäuscht worden sind.

Zum Schluß noch bitte Deine Personal Top Ten auf die einsame Insel.

1. CARCASS Heartwork, 2. BOLT THROWER … for Victory, 3. SLAYER Reign in Blood, 4. CARCASS Necroticism descanting …, 5. KREATOR Extreme Aggression, 6. ANNIHILATOR Alice in Hell, 7. IRON MAIDEN The Number of the Beast, 8. CONAN THE BARBARIAN Soundtrack, 9. SEPULTURA Beneath the Remains, 10. SEPULTURA Arise. Bleibt nur noch zu sagen, daß Interessenten folgende Veröffentlichungen der AARDVARKS entweder bei Mr. Music in Bonn, oder unter angegebenen Kontaktadresse anfordern können. Als da wären das Demo EYES ?94 (33 Minuten Spielzeit, Farbcover & guter Sound) für 10,? DM, die DEMO-Collection mit dem ?97er FARKAS? LEMMA-Material auf CD gebrannt (über 52 Minuten lang) für 20,? DM und das PROFONDO ROSSO-T-Shirt (Schwarze, schwere Baumwolle, zwei Farben und beidseitig bedruckt).